Die gute Schule by Hermann Bahr

Die gute Schule by Hermann Bahr

Autor:Hermann Bahr [Bahr, Hermann]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Fischer
veröffentlicht: 1897-12-31T23:00:00+00:00


VIII.

Auswärts dinieren. Mit diesem Entschluß kam er heim.

Damit sich ihm nicht erst wieder die Stimmung verdürbe, der Friede, das Behagen.

Er fürchtete sich. Immer, so oft ihm angenehm wurde, kam diese Furcht. In allen Genüssen, wenn er die Empfindung recht sondierte, hatte er eigentlich immer nur Angst vor ihrem Verluste; das herrschte.

Er verwendete viele Mühe, die guten Anwandlungen zu befestigen. Man mußte es nur erst lernen, glücklich zu sein, durch Fleiß, mit Überlegung, aus Erfahrungen. Die Technik des Glückes mußte man erst erwerben, anders ließ es sich nicht gestalten.

Dann hatte man wenigstens ein ruhiges Gewissen, das Seinige gethan zu haben, und ersparte sich die Reue.

Nur das Fremde von der Stimmung verscheuchen, daß sie heimisch werden könnte.

Das Blumenduftige in der Laune bewahren.

Aber er wußte, daß es nicht hielt, wenn sie allein waren.

Er kannte es schon. Nur nicht allein. Man mußte etwas zwischen sie stellen.

Blitzableiter nannte er es.

Sie liebten sich eigentlich nur noch, wenn sie durch andere Beschäftigung verhindert waren, sich zu lieben.

Auswärts dinieren. Boulevard St. Michel, Hotel de Suez – natürlich.

Seine Gewohnheit, immer die gleichen Orte aufzusuchen, sehr konservativ, die Freunde lachten. In einen neuen brachte man ihn schwer, weil alles Fremde ihn gleich verwirrte. Da wurde er, wenn seine Trägheit verstört war, ganz kopfscheu und hilflos, wie eine aufgeschreckte Henne, und lief erst lange draußen um alle Thüren, unentschlossen und dennoch begierig, und wußte sich keinen Rat, ganz verzweifelt.

Und dann war ihm dieses auch das Muster, schlechtweg, ohnegleichen. Er konnte es nicht begreifen, daß für die anderen sich überhaupt noch Gäste fanden. Er hieß es nur: das ideale Hotel – ein besseres war mit aller Einbildung nimmermehr auszudenken.

Erstens, weil die Madame gar so lieb war. Nicht mehr ganz jung, aber mütterlich, schwesterlich, bräutlich, alles zusammen, betraute und pflegte und hätschelte sie einen – ungeheuer nett. Gerade was er brauchte. Es kam ihm weniger auf Liebe und auf Freundschaft an, als daß sie ihm lebhaft und deutlich immer neu versichert und beteuert wurden. Das wollte er: jemanden, der ihm recht schön that; warum und ob es aufrichtig war, das konnte einem zuletzt gleich sein. Aber ohne das war ihm kein Leben schmackhaft.

Und dann Maler, Studenten, vom Theater, leichtes und frohes Völkchen, nicht diese fade und steife Gasthof-Engländerei. Singen, Tanzen, gern Champagner, der reine Murger. Übermut, Ausgelassenheit oft, nie Langeweile.

Durch eine kleine Soubrette vom Cluny, zufällig, ein herziges Mauserl, mit der er einmal bei Bullier angebandelt hatte, lernte er es kennen. Immer kreuzfidel, unverfälschtes Quartier Latin von der alten Marke, wie es sonst bloß noch in Büchern ist, Gauloiserie im Schlafrock. Schade, daß es keine Ateliers gab.

Aber wenn er sich einen guten Tag anthun wollte, kam er dinieren. Das bürstete die Grillen weg. Und die hatten geschaut, wie er Fifi zum ersten Male brachte, im Triumph; Madame war gleich in sie völlig verliebt gewesen.

Nur die armen Löwen verdrossen ihn, daß sie auch heute wieder da waren, welche er nicht leiden konnte. Warum man sie nicht einfach hinausschmiß, begriff er nicht. Sie würden doch am Ende nur noch das ganze Hotel verschandeln, wenn man sie erst einnisten ließ.



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